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"Klooseum" in Wiesbaden - der Schrein fürs stille Örtchen


"Klooseum" - der Schrein fürs stille Örtchen

Von t-online
04.04.2011Lesedauer: 4 Min.
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In Wiesbaden-Erbenheim hat ein ganz besonderes Museum seine Tore geöffnet - das "Harlekin's Klooseum - Museum of Modern Arsch". Damit realisiert der Wiesbadener Sammler Michael Berger (69) ein Konzept, das sich ausschließlich um das "stille Örtchen" dreht. Wagen Sie in unserer Foto-Show einen Blick in die skurrile Ausstellung.

"Kunst" zum Anfassen

Im Mittelpunkt dieser Ausstellung steht die Kulturgeschichte des "stillen Örtchens" und eine Reise durch den menschlichen Körper. Im Darm - in der Realität so lang wie ein Feuerwehrauto - geht es los, das heißt, allein acht Meter im menschlichen Körper sind für die Nahrungsverdauung reserviert. Das Logo der Ausstellung ist ebenfalls dicht am Thema: die Weltkugel in Gesäßform. Michael Berger strebt mit diesem Non-Profit-Projekt eine Enttabuisierung der menschlichen Bedürfnisse an und wandelt damit auf den Spuren seiner Vorbilder Marcel Duchamp und George Maciunas. Ersterer reichte auf einer Kunstausstellung ein Pissoir als eigene Arbeit ein und schockierte die damalige Kunstwelt, gewissermaßen "standesgemäß" starb er auf einer Toilette bei einem Lachanfall, während sich der "Erbenheimer" Fluxusbegründer Maciunas in seiner letzten Arbeit mit einer Toilette beschäftigte. Kein Wunder also, dass durch die Räume der Geist der Kunstrichtung Fluxus weht.

Ein Schloss ohne Lokus

Gleichwohl lohnt ein Blick in die Geschichte. Denn vor der Erfindung des WCs im 19. Jahrhunderts war es ganz natürlich, sich in Anwesenheit seiner Mitmenschen von der verdauten Nahrung zu befreien. Der Nachttopf beispielsweise war in Wirklichkeit ein "Tagtopf“, in seiner jahrtausendelangen Nutzung hat er das Tageslicht nicht gescheut. Sonnenkönig Ludwig der XIV. ließ sein Prunkschloss in Versailles ohne einen einzigen Lokus errichten. Der gesamte Hofstaat benutzte Nachttöpfe oder ging, wenn es nicht regnete, hinter die Bäume im riesigen Park. Von Ludwig ist auch überliefert, dass er, auf seinem Leibstuhl sitzend, innige Zwiesprache mit Lieselotte von der Pfalz hielt. Erst 1860 wurde für die englische Königin Victoria auf Schloss Ehrenburg das erste WC Deutschlands installiert. Zuvor mussten Donnerbalken, Nachttöpfe oder die edlen Bourdalous ihren Zweck erfüllen. Dennoch gab es immer wieder Versuche der Schamhaftigkeit der zivilisierten Welt zu trotzen. Im Berlin der 20er Jahre gehörten Furzkonzerte auf offener Bühne durchaus zum "guten Ton".

Kulturgeschichte des stillen Örtchens

In einem ruhigen Örtchen, einem alten Pfarrhaus, wird diese ungewöhnliche Schau präsentiert, die ganz ohne öffentliche Gelder und Förderung auskommt. Den Besucher erwarten nicht nur Klobürsten, Nachttöpfe, Klorollen, Furzkissen, sondern auch ungewöhnliche Exponate wie die Nachbildung des letzten selbständigen Ostberliner Klomanns vor der Wende. Er verrichtete von 1964 bis 1989 seinen Dienst im Fernsehturm am Alexanderplatz. Übrigens, so die Basiserkenntnis der Hygieniker: Man kann sich ruhig auf jedes deutsche Klo setzen, aber man sollte sehr vorsichtig sein, einem deutschen Doktor die Hand zu geben. Gleich am Eingang lauert Goethes Götz von Berlichingen dem Besucher auf, in 64 Sprachen wurde das berühmte Zitat "... er kann mich im A... lecken." übersetzt. Im Treppenhaus baumeln 27 verschiedene Klozieher von der Decke. Motto "Ziehen oder ziehen lassen!" In allen Variationen sind Klobürsten zu sehen. Tageslosung: "Wir bürsten wie die Fürsten!" und es reift die Erkenntnis - die Klorolle ist die wichtigste Rolle im Leben. Im Treppenaufgang hat der Breslauer Maler Paul Luchowsky Museumsgründer Michael Berger als Gold-Esel verewigt, reifte doch schon im alten Kaiser Vespasian die Erkenntnis: "Pecunia non olet" (Geld stinkt nicht). Während Vespasian Fäkalien zu Gold machte, war es unter der Regentschaft von Kaiser Caracalla verboten den Darm hörbar zu entlüften, vor allem vor Bildern des Kaisers und an heiligen Orten. Wer es dennoch tat, wurde hingerichtet. Und sogar eine "Öko-Ecke" gibt es im Museum. Was es dort zu entdecken gibt, sollten die Besucher allerdings direkt vor Ort erleben. Kleiner Tipp: Es geht um Mengen-Angaben.

Verdauung ist das halbe Leben

Wie breit das Thema angelegt ist, zeigt ein Blick in die Weltgeschichte. Die Zitatensammlung rund um das kleine Geschäft ist erdrückend. Kurz gesagt - Verdauung ist das halbe Leben. Darüber haben sich viele große Namen Gedanken gemacht. Einer davon war Kirchen-Reformator Luther ("Aus einem verzwickten Arsch kommt kein fröhlicher Furz"). Zur absoluten Kultfigur der Moderne wurde "Das kleine Arschloch" aus der Feder des Zeichners und Autors Walter Moers, schließlich wurde der Werdegang dieser rotzfrechen Gestalt sogar verfilmt. Die Firma Harlekin hat in den 70er Jahren das "sibirische Wanderklo" mit seinem Zweistocksystem (ein Stock zum Abstützen bei der Notdurft, ein zweiter Stock zum Fuchteln gegen feindliche Wölfe) populär gemacht, wenngleich die große Breitenwirkung versagt blieb. In der Station "Pipi-Fax" dreht sich alles um Kunst und Kitsch. Vom "Arsch mit Ohren" bis zum Stinkefinger. Posthum kann man sich auch an den Diktatoren vergehen. Die Konterfeis von Hitler, Mao und Stalin starren aus Pissoirs.

Übernachten zwischen Klo und Deckel

Wie sein Pendant, das bereits existierende HarlekinÄum, wird das Klooseum kein reiner Aufbewahrungsort von Exponaten, sondern das Erleben und Staunen steht im Mittelpunkt. Geräusche verstärken das Gesehene, auch das Haptische kommt nicht zu kurz. Speziell diese Form der Präsentation verlangt einen Verzicht auf Massenaufläufe, denn die Ausstellung kann nur in kleinen Gruppen durchlaufen werden (maximal 8 Personen). Zu sehen gibt es viel, etwa "Kack-teen", einen Fernseher mit eingebauter Klospülung oder echte Scheißhauskunst, garniert als "Palast der Winde". Die "Big Five des Körpers" (Herz, Lunge, Leber, Niere, Magen) verstecken sich hinter fünf Klotüren, die es zu erforschen und zu ertasten gilt. Beim Öffnen jeder Tür erklingen Geräusche, die dem jeweiligen Organ entsprechen und wie in einem Puzzle greift man sich mal eben ein Stück Herz aus dem menschlichen Körper. Ganz Mutige können sogar im Klooseum übernachten, es ist zugleich als Wohnung nutzbar. Insgesamt umfasst die Sammlung rund 1200 Exponate.

Weitere Informationen:
KLOOSEUM, 65205 Wiesbaden-Erbenheim, Telefon (06 11) 7 40 01, Telefax (06 11) 7 40 01, Öffnungszeiten: Jeden Sonntag von 11:11 Uhr bis 17:17 Uhr, 4. April bis 29. August 2011, www.klooseum.de

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